29.08.1994 A.B.
...Die Malerin lernte in Japan die Kunst des "Sumi-e"... Die zurückhaltende und sparsame Malerei bietet dem Betrachter Raum für eigene Phantasie. Sie gehört zum Wesen der japanischen Kunst. Bemalte und weiße Flächen müssen sich die Waage halten, dann ist vollendete Harmonie erreicht. Marianne Marx-Bleil hat dies meisterhaft beherrscht. Äußerst sensibel für die sie umgebende Natur fing sie die Jahreszeiten ein...In ihrer Schlichtheit vermitteln die Werke eine mediative Ruhe.
21.07.1986 näg.
S'isch a ganz langsames Lernen - Werkstattgespräch...
"Exotisch und fernöstlich": Genau da liege das Mißverständnis. Marianne Marx-Bleil wehrt sich energisch gegen solche Attribute. "Viele Ausstellungsbesucher suchen zuallererst nach dem Exotischen"...Ihr (M.M-B.) Bestreben sei, nicht Japan nach Kleiningersheim zu bringen, sondern "japanische Tradition in purer Form und westliches Lebensgefühl zu vereinen"; schwäbische Natur mit japanischem Pinselstrich einzufangen.
Sie sei auch keine Botschafterin des Zen-Buddhismus. "Au noi...des mog i net".
Es sei vielmehr ihr Naturempfinden, "Teil des Ganzen zu sein", das sich mit der ostasiatischen Lehre deckt. Auf einer Weltreise habe sie Japan kennengelernt. Dort ist sie auch zwei Jahre lang zur Schule gegangen und hat begonnen, Sumi-e zu studieren. Ein mühevoller Weg: "S'isch a ganz langsames Lernen". Die ersten Jahre nur Pflanzenstudien. "Hier", sagt die 42jährige Malerin, "würden die Leute - aus Mangel an Zeit und Geduld - davonlaufen".
Das Ergebnis dieser mühevollen Studien verblüfft zunächst: ein paar Striche, wenig Farbe, selten mehr als ein Motiv auf einem Bild...Die ungezählten Blätter mit den ewig gleichen Studien sehen die Besucher nicht. Korrigieren läßt sich bei Sumi-e nämlich nichts. Der einmalige Akt muß sogleich das Wesentliche treffen, so daß "die Seele aus dem Bild spricht, die Lebendigkeit".
Das Interesse der "offiziellen Kultur" hierzulande sei...äußerst zurückhaltend. Nicht allein, daß sie im "Künstlerverzeichnis Baden-Württemberg" gar nicht als Künstlerin eingetragen existiere, auch das völlige Desinteresse des Bietigheim-Bissinger Kulturbeirats - trotz Bemühungen ihrerseits - sie ihr unverständlich. Man ignoriere sie einfach.
Deshalb sei sie auch momentan austellungsmüde...trotz Angeboten...
Sie zeigt ein paar Blätter mit Vogelstudien - verblüffend einfdrucksvolle Tuschgemälde, voll lebendigem, seelenvollem Ausdruck. Doch Marianne Marx-Bleil wehr ab: "Da kann man net mogeln, wenn man ehrlich ist".
Und ehrlich ist M.M-B. Was anfänglich, auf den ersten Blick, flüchtigen Blick wie inszeniert wirken mochte, ist echt.
14.02.1989 sta
...sumi-e, eine praktische und geistige Übung im Sinne von Zen...eine Methode zur Seinserfahrung, eine künstlerische Ausdrucksform im Einklang mit natürlichen Gesetzmäßigkeiten und ihre persönliche Lebensaufgabe...wichtig ist, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, was eine lange Übungszeit bedinge. Das Leitmotiv des Zen sei...gleichbedeutend mit der Fähigkeit, ausschließlich einer Sache vollste Konzentration zu widmen. Die Fähigkeit, den echten Augenblick zu erleben, werde durch Meditation erreicht. Mittlerweile habe diese Lebensweise immer größere Bereiche ihres täglichen Lebens erfaßt...Allerdings komme man nicht an ein Ziel, sondern sei sein ganzes Leben damit beschäftigt. Die Künstlerin: "Die einfachen Sachen sind am schwersten".
...Zen sei kein Mittel der Erleuchtung und nicht etwas was man haben wolle, sondern nur erreichen könne in Absichtslosigkeit: "Ja mit Wollen ist da überhaupt nichts. Es erfordert einen Lernprozeß, loslassen zu können". Das Grundprinzip sei absichtslos zu werden und doch etwas zu tun. Das Resultat stellt sich dann von selbst ein. Die Künstlerin:"Machen und Tun ist zweierlei. Ich kann keine Bilder machen. Sie entstehen aus dem Nicht-Tun"...Bei Zen kann man nur etwas stärken, wenn man es schwächt. Der Weg dorthin führt nur über die ständig wiederholende meditative Haltung. Der Impuls kommt aus der Natur und ist eine faszinierende Lebendigkeit.
09.04.1987
"Werde zum Bambus, vergiß und male"
Als "Ostergeschenk" für die Besucher stellt die "Wilhelma-Galerie" ...der Stuttgarter Wilhelma mit Marianne Marx-Bleil eine Künstlerin vor, die sich der Sumi-e-Malerei...verschrieben hat. "Betrachte zehn Jahre lang Bambus, werde selber zum Bambus, vergiß dann alles und - male", heißt der Rat eines Meisters dieser Kunst.
Nicht die minutiöse Wiedergabe des gestalteten Objekts, die naturwissenschaftlich nüchterne Darstellung jedes Details machen das Wesen des japanischen Tuschbildes aus. Seinen Charakter bestimmen vielmehr die Beschränkung auf das Wesentliche, einfache klare Linien, unverrückbar mit dem Pinsel auf saugfähige Unterlage aufgetragen. Jeder Pinselstrich muß "sitzen"...
Nicht nur exotische Wesen, Affen etwa, die in Gruppen über das Papier turnen, zarte Vögel in verhaltenen Farben, der Zauber des Bambus und der Lotusblüte werden dargestellt. Auch die Wesen der unmittelbaren Umgebung, der Kater "Oskar" oder die verhaltene Schönheit ihrer schwäbischen Heimat.